Ausgangssituation
Ab dem 1. März 2020 sind bei der Pflanzung von Gehölzen in der freien Natur gebietseigene Herkünfte zu verwenden, unter der Voraussetzung, dass diese zur Verfügung stehen. Nach § 40 Abs. 4 Satz 4 Nr. 4 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ist das Ausbringen nicht-gebietseigener Herkünfte dann nur noch mit einer Genehmigung möglich. Im Rahmen der bundesweiten Arbeitsgruppe „Gebietseigene Gehölze“, in der unter anderem das BMU, BMELV, BMVBS, DVL, Vertreter der Naturschutzbehörden und Straßenbauverwaltungen der Länder, Baumschulverbände und Zertifizierungsanbieter vertreten sind, wurde 2011 ein Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze als grundlegende Empfehlung für eine bundeseinheitliche und praktikable Umsetzung des § 40 erarbeitet. Die Arbeitsgruppe hat auch die Empfehlung ausgesprochen, bundeseinheitlich eine Einteilung in sechs Vorkommensgebiete nach Schmidt & Krause (1997) zu Grunde zu legen. Sie soll für ganz Deutschland als Basis für die Produktion und Ausbringung gebietseigener Gehölze dienen.
Begründung / Zielstellung für die Notwendigkeit der Verwendunggebietseigener Gehölze:
- Sicherung der genetischen Vielfalt der heimischen Pflanzen
- bessere Anpassung gebietseigener Populationen an biotische und abiotische Veränderungen ihres Umfeldes (Klimawandel)
- erheblich bessere Anwuchsraten bei Pflanzungen von gebietseigenen Gehölzen
- deutlich geringerer Schädlingsbefall und damit auch höhere Wirtschaftlichkeit
- Erhaltung und Förderung wertvoller Lebensgrundlagen für zahlreiche Arten, u.a. der heimischen Vogel- und Insektenarten
- Verhinderung bzw. Eingrenzung einer Florenverfälschung / Hybridisierung; z.B. Verwendung wildformnaher Pflanzen bei Wildapfel und Wildbirne
Das Vorhandensein vielfältiger Lebensräume ist zentrale Voraussetzung für den Erhalt von Tier- und Pflanzenarten – Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt!
Begriffsdefinition - gebietseigen
Nach Schubert (2016) werden Sippen als gebietseigen bezeichnet, die aus Populationen einheimischer Arten stammen, welche sich in einem bestimmten Naturraum über einen langen Zeitraum in vielfachen Generationenfolgen vermehrt haben und bei denen eine genetische Differenzierung gegen Populationen der gleichen Art aus anderen Naturräumen anzunehmen ist. Im Zusammenhang mit Pflanzungen und Ansaaten gilt eine Art, Unterart oder Teilpopulation genau dann als gebietseigen, wenn sie ihren genetischen Ursprung in dem Gebiet hat, in dem sie auch wieder ausgebracht wird (= gebietseigene Verwendung).
ELER-Projekt
Erfassung gebietseigener Gehölze für ausgewählte Arten aus der Mittelelbe-Region sowie Erarbeitung von Vermehrungsstrategien in Hinblick auf die Umsetzung des § 40 BNatSchG ab März 2020
In Sachsen-Anhalt gibt es zurzeit erst wenige Ansätze bei der Umsetzung der genannten Ziele. Es besteht noch kein ausreichendes Angebot an gebietseigenem Pflanzmaterial (außerhalb des FoVG) und wenige Baumschulen, die sich mit dem Thema beschäftigen.
Mit dem im Januar 2018 gestarteten Förderprojekt sollen Defizite bei der Erfassung der Gehölze, die nicht dem Forstvermehrungsgutgesetz unterliegen, abgebaut werden. Umfangreiche Erfassungen von potentiellen Erntebeständen für ausgewählte Arten vor allem in den Auenwäldern und Gehölzbeständen entlang von Elbe und Mulde sind vorgesehen.
Vorwiegend in den Waldbeständen mit FFH-LRT (ca. 10.000 ha) von insgesamt 18 FFH-Gebieten werden – auch auf der Grundlage vorhandener Daten und ausführlicher vorheriger Recherchen – potentielle Erntebestände folgender ausgewählter Arten kartiert und in einer Datenbank erfasst, die auch als Charakter- und Begleitbaumarten der Auenwälder im Biosphärenreservat Mittelelbe anzusehen sind:
Feld-Ahorn (Acer campestre), Feld-Ulme (Ulmus minor), Flatter-Ulme (Ulmus laevis), Wild-Apfel (Malus sylvestris), Wild-Birne (Pyrus pyraster), Blutroter Hartriegel (Cornus sanguinea), Pfaffenhütchen (Euonymus europaea), Weißdorn-Gruppe (Crataegus spec.), Schlehe (Prunus spinosa), Gewöhnlicher Schneeball (Viburnum opulus).
Kriterien für die Auswahl von Saatgutbeständen und die spätere Zertifizierung sind im engen Erfahrungsaustausch mit verschiedenen Projektpartnern, u.a. der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NWFVA), dem Landesamt für Umweltschutz (LAU), den Landesforstbehörden bzw. Betreuungsforstämtern auszuarbeiten. Neben der fachlichen Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden und Institutionen im Land Sachsen-Anhalt wird auch ein enger Erfahrungsaustausch mit anderen Bundesländern durchgeführt. Um die Sicherung der genetischen Vielfalt der heimischen Pflanzen unter Berücksichtigung der Anpassung gebietseigener Populationen an biotische / abiotische Veränderungen zu unterstützen, ist die detaillierte Kenntnis zu relevanten Standorten, Saatgutverfügbarkeit und Vermehrungsstrategien nötig.
Weiterhin werden im Rahmen des Projektes eine Saatgutbedarfsanalyse vorgenommen, die Anlage einer Saatgutplantage, z.B. für Feld-Ahorn wird vorbereitet und verschiedene begleitende Maßnahmen zur Öffentlichkeitsarbeit (z.B. geführte Exkursionen, Zusammenarbeit mit Schulen, Fachtagung) durchgeführt.
Die finanzielle Zuwendung erfolgt zu 75 Prozent über den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes und zu 25 Prozent durch das Land Sachsen-Anhalt bereitgestellt. Das Projekt hat eine Laufzeit von Januar 2018 bis September 2021.